Bericht 2006 mit Ausblick auf 2007

Das Jahr 2006 war in kulturpolitischer Hinsicht für die im Kunstrat vereinigten rund zwei Dutzend Verbände ausgesprochen ereignisreich. Gleich drei Gesetzesnovellen wurden in Berlin „durchgezogen“: die EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Folgerechts, die Novelle zum Künstlersozialversicherungsgesetz und die Umsetzung der Unesco-Kulturgutschutzkonvention. Da die Mitgliedsverbände des Kunstrates diese Themen je nach Interessenlage durchaus unterschiedlich bewerten, wurden hierzu keine gemeinsamen Stellungnahmen erarbeitet. Immerhin diente der Kunstrat als Forum, sich grundsätzlich über die jeweiligen kulturpolitischen Blickwinkel auszutauschen und zu informieren.

Die Gegenläufigkeit der Meinungsbilder zu verschiedenen Sachgebieten wird den Kunstrat jedoch nicht daran hindern, erstmals einen gemeinsamen öffentlichen Auftritt zu wagen. Im Herbst 2006 wurden erste Überlegungen hinsichtlich eines Symposions angestellt, das in diesem Jahr stattfinden wird. Detaillierte Themen im Spannungsfeld des im Kunstbetrieb zentralen Begriffs des „Wertes“ werden derzeit erarbeitet. Fest steht der Ort des Geschehens: Die Kunstrat-Tagung wird innerhalb des Begleitprogramms der von der Kölner Messegesellschaft ausgerichteten Veranstaltungen „Exponatec - Cologne Fine Art“ stattfinden. Hierbei handelt es sich um eine Fachmesse für
Konservierung und Ausstellungstechnik nebst einer Publikumsmesse für Antiquitäten sowie moderne und zeitgenössische Kunst - ein optimaler Rahmen für die Sektion Kunstrat, die in ihrer Gesamtheit alle Facetten des deutschen Kunstbetriebs abbildet.

Bevor im folgenden Schlaglichter auf die Aktivitäten der einzelnen Mitgliedsverbände im Jahr 2006 geworfen werden, noch ein Wort zur Debatte über den Deutschen Kulturrat, die im letzten Jahr im Nachhall einer Mitgliederversammlung entbrannt ist. Die hier von einem Mitglied des Kunstrates formulierte scharfe Kritik an der vermeintlich undemokratischen Arbeitsweise des Kulturrats kam ihrerseits auf undemokratischem Wege, nämlich ohne vorherige Diskussion in der Sektion Kunstrat zustande. Es hat sich hierbei also um eine Einzelmeinung und nicht um ein Statement des Kunstrats in seiner Gesamtheit gehandelt. Grundsätzlich begleiten die Mitglieder des Kunstrats die Aktivitäten des Kulturrates in diversen Gremien
durch konstruktiv-kritische Mitarbeit.

Der Kunstrat lässt sich unschwer in drei Gruppierungen einteilen: in die Verbände der Urheber bzw. Künstler, die Verbände der Vermarkter - also des Kunsthandels, sowie die Verbände der Institutionen.

Die Künstlerverbände
Die Internationale Gesellschaft der Bildenden Künste berät bildende KünstlerInnen über internationale Ausstellungs- und Fördermöglichkeiten; sie hat im letzten Jahr eine Publikation zur europäischen Kunsthochschulreform erarbeitet. „Reality Check - who is afraid of master of arts?“ ist soeben erschienen. Auch die beratende Tätigkeit des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler hat sich in einem Handbuch manifestiert: „ProKunst“ enthält in seiner vierten Auflage allerhand Musterverträge und praktische Informationen über Künstler- und Urheberrechte. Auch hat der BBK im Rahmen des Gabriele-Münter-Preises eine Ausstellung organisiert, die Anfang 2007 im Berliner Martin-Gropius-Bau mit Werken von 40 zeitgenössischen Künstlerinnen eröffnet wurde. Ausschließlich Künstlerinnen gilt auch die Aufmerksamkeit der GEDOK, die ihre Gründung vor 80 Jahren durch die große Frauenrechtlerin Ida Dehmel mit einem dreitägigen
Veranstaltungsprogramm in Hamburg gefeiert hat.

Der Bundesverband Kunsthandwerk versteht sich traditionell nicht nur als beratende Instanz, sondern entwickelt für seine Mitglieder auch Ausstellungen und Verkaufsmessen im In- und Ausland. Der Radius reicht hierbei bis nach New York, Moskau und Tokio. Große Hoffnungen werden auf die neue, anspruchsvolle Kunsthandwerk- und Design-Messe „Mind and Matter“gesetzt, die im kommenden Juni erstmals in Luxemburg ihre Tore öffnet.

Auch das Internationale Künstlergremium überschreitet die Grenzen Deutschlands und hat für 2007 in Wien eine Tagung mit der dortigen Akademie der Künste konzipiert. Die Veranstaltung soll eine Plattform für intensive Diskussionen und Begegnungen von österreichischen und slowakischen Künstlern abgeben. Mit dem Brückenschlag Wien - Bratislava soll eine alte Wegstrecke reanimiert werden mit dem Ziel, Stereotypen und Vorurteile über die Geltung von „West- und Ostkunst“ abzubauen.

Der Deutsche Künstlerbund schließlich verfügt in Berlin über einen eigenen Projektraum, in dem er ein viel beachtetes Programm mit Vorträgen und Ausstellungen durchführen kann; im vergangenen Jahr hat er zudem einen ständigen Sitz im Sachverständigenkreis der Bundesregierung zur Kunst am Bau erhalten.

Die Kunstmarktverbände
Der Bundesverband Deutscher Galerien hat mit Rudolf Zwirner als Art Cologne-Preisträger einen Doyen der Galerienszene gewürdigt, der auch als Organisator und Impulsgeber für Institutionen viel Positives zur Kunstvermittlung in Deutschland beigetragen hat. Der Cologne Fine Art-Preis des Bundesverbandes Deutscher Kunstverleger ging hingegen an einen Künstler - Dieter Krieg - für dessen exzeptionelles graphisches Werk. Dem Verband ist es zudem gelungen, eine Messe für zeitgenössische Kunst mit einer Antiquitätenmesse zu fusionieren. À propos Fusion: Galeristen und Kunstverleger haben erste Schritte für ihre Vereinigung unternommen. Ausschlaggebend war die Idee, die gemeinsamen Interessen zu bündeln und somit zu stärken; im Laufe dieses Jahres soll die Fusion vollzogen sein.

Auch der Verband Deutscher Antiquare beschreitet neue Wege grenzüberschreitender Zusammenarbeit: er hat vor, mit seinen österreichischen und schweizerischen Kollegen ein gemeinsames Internetportal zu eröffnen.
Auch bei den eher an klassischer und älterer Kunst orientierten Verbänden tut sich einiges. So hat der Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels seine Mitgliederkommunikation erheblich intensiviert - u.a. ausgelöst durch die kunsthandelsfeindliche Umsetzung der Unesco-Kulturgutschutzkonvention - und konnte dadurch ad hoc einen ungewöhnlichen Zuwachs an neuen Mitgliedern verzeichnen. Der Verband Deutscher Kunstversteigerer hat nunmehr ebenfalls, wie vielfach gefordert, „ethische Richtlinien“ für seine Mitgliedsfirmen aufgestellt und der Deutsche
Kunsthandelsverband arbeitet auf seinen ersten Kunst- und Antiquitätenkongress hin, der im Sommer in Bamberg mit der Fragestellung stattfinden wird, durch welche neuen Wege sich ein junges Publikum am besten zur alten Kunst führen lässt.

Die Institutionen
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine hat unter dem Titel „Crosskick“ Ausstellungen und Workshops von und mit jungen KünstlerInnen aus zwanzig europäischen Kunsthochschulen in dreizehn Kunstvereinen organisiert. Eine Entdeckungsreise quer durch die zeitgenössische künstlerische Produktion bietet neuerdings auch der Jahresgaben-Pool, der auf der Website des ADK freigeschaltet wurde.

„Museen gestalten Zukunft - Perspektiven der Museen im 21. Jahrhundert“ - so lautete der Titel der letztjährigen Tagung des Deutschen Museumsbundes, die in Leipzig mit hochkarätiger Besetzung stattfand. Natürlich haben die Ereignisse rund um den beabsichtigten Verkauf eines Monet-Bildes durch ein Krefelder Museum auch den Museumsbund nicht unberührt gelassen und hier zu einer Debatte über die „Monetarisierung von Sammlungen“ geführt. Dürfen Museen Kunstwerke verkaufen? Dürfen Museumsbestände als Vermögenswerte evaluiert und in Staatshaushalte eingestellt werden? Fragen, die angesichts knapper Kassen sicher keine kurze Halbwertszeit haben werden.

Die Deutsche Sektion von ICOM - International Council of Museums setzt ihre Schwerpunkte verstärkt auf die Bereiche kulturelle Vielfalt und Kulturgüterschutz; ihre diesjährige Generalkonferenz in Wien läuft unter dem Thema "Museums and Universal Heritage".

Der Verband Deutscher Kunsthistoriker forciert seine Bemühungen um die Aufnahme freiberuflich arbeitender Kunsthistoriker in die Künstlersozialkasse. Ein weiteres Augenmerk lag auf den Vorbereitungen des 29. Deutschen Kunsthistorikertags, der im März dieses Jahres an der Universität zu Regensburg stattfand und dessen Schwerpunkt auf aktuelle Fragen der Denkmalpflege fokussiert war.

Last but not least - der Kunstrat ist hocherfreut über einen interessanten Neuzugang: den Bundesverband der Fördervereine Deutscher Museen für Bildende Kunst mit Sitz in Hamburg. Die hier zusammengeschlossenen Fördervereine von bisher rund 40 renommierten Kunstmuseen zählen insgesamt 60.000 Kunstfreunde! Bürgerschaftliches Engagement, kulturelle Bildung und Förderung der Künste sind die Dreh- und Angelpunkte dieses Dachverbandes, den man erfinden müsste, wäre er 2003 nicht schon gegründet worden.

Birgit Maria Sturm (Sprecherin)
Erschienen in: Politik und Kultur, Ausgabe Mai-Juni 2007